Die meisten Menschen nennen mich Juliane. Meine Schwestern sagen Jule. Für den Mann, der einst meine Magisterarbeit betreute, werde ich wohl auf ewig die kleine Chinesin bleiben. Was ich gut fand, da er sich somit immerhin gemerkt hatte, dass ich meine Magisterarbeit über ein Thema mit Chinabezug bei ihm schrieb. Was viel ist bei einer Person, die im Sommer 2006 mit zweistündiger Verspätung zu seiner Sprechstunde auftauchte, weil „irgendwas mit Fußball“ in der Stadt stattfände. Und dann gibt es Menschen, für die bin ich die Frau, die über dem Knoblauchrestaurant wohnt. Nicht, weil ich so penetrant danach rieche, sondern einfach, weil es so ist: Unten Knoblauchrestaurant, oben die WG und ich. Ja, manch einer findet das lustig.
Nun verlässt uns morgen der Mitbewohner, den wir den Franzosen nennen, und was bot sich da als angemessene Abschlussaktivität eher an, als geschlossen besagtes Restaurant zu besuchen? Ganz recht: Nichts. Und abgesehen von der Tatsache, dass wir nun alle froh sein dürfen, dass das Internet noch kein Geruchsmedium ist, hat sich dieser Ausflug mehr als gelohnt.
Allein eine Speisekarte, die einem die Wahl zwischen der „Stinkenden Rose“ (eine Knolle Knoblauch mit Anchovisbutter und Brot) und den zwei Knoblauchsuppen „Stinkender Uhu“ und „Frettchen“ lässt, muss man lieben. Besonders, wenn man sich an den Sturm der Empörung erinnert, den mir der Gebrauch des Wortes Frettchen noch zu Lokalzeitungs-Zeiten einbrachte, als die Leserbriefschreiber es nicht verwinden konnten, dass ich ihre geliebte Inka Bause mit diesem Tier verglichen hatte.
Auch Kellner, die man in T-Shirts gezwungen hat, von denen lustige Knoblauchknollen mit Gesicht herunterwinken, mit Knoblauchgewürz versehene Erdnüsse als Amuse-Gueule sowie die Aussicht auf einen Nachtisch aus flambierten Ananasringen mit Knoblauchfruchtsauce sollten eigentlich dafür sorgen, dass diese Lokalität als Marco Polo Insider-Tipp Karriere macht. Damit Touristen aus Franken glauben, das wäre typisch für diesen Prenzlauer Berg, von dem jetzt immer alle sprechen, würde ich sogar deren unangenehme Häufung vor meiner Haustür in Kauf nehmen.
Die Mitbewohnerin orderte Fisch, der ihr konsequenter Weise auf einem überdimensionalen Glasteller in Fischform gereicht wurde. Geschmacklich angebrachter wäre wohl die Knoblauchform gewesen. Gleiches gilt für den Auflauf des Franzosen, dessen genaue Zusammensetzung nach seiner Zeit im Backofen nicht mehr zu rekonstruieren war. Und auch das Fleischgericht der Freundin des Franzosen wird wohl nach Knoblauch geschmeckt haben, was jedoch nicht endgültig bewiesen werden konnte, da ihr seit dem zweiten Bissen eine gewisse Schärfe die Geschmacksnerven verödet und die Tränen in die Augen getrieben hatte.
Ich entschied mich für etwas, das als Salat mit Aubergine und Zucchini angekündigt war und sich beim Servieren als eine Art frittierter Gouda entpuppte, unter dem man mit etwas Geduld noch die Reste von Gemüse identifizieren konnte. Zur Verteidigung des Kochs muss ich jedoch sagen, dass sich ein Großteil der Fettseen auf dem Teller nach kurzer Zeit als Knoblauchschaum zu erkennen gab, was die Sache vielleicht nicht essbarer, aber immerhin irgendwie Sinn machte.
Es war ein Festmahl. In a way.
Immerhin reichte uns zum Abschluss der freundliche Kellner noch einen Schnaps. Bei dem wir sogleich den Fehler machten, daran zu riechen – die Tatsache, dass ich ihn auch dann noch als stark Knoblauchlastig empfand, dürfte erklären, warum niemand von uns ihn trinken mochte. Zum Glück stand in Reichweite unseres Tisches ein kleines Bäumchen in einem Blumenkübel. Sein bedauernswerter Zustand wies darauf hin, dass Knoblauchschnaps wohl zu seinen Grundnahrungsmitteln gehört.
27. Juli 2010
ich habe zunächst deinen eintrag gelesen, bis zum absatz mit dem fretchen. dann habe ich oben genannte internetseite aufgesucht und mir angesehen. also die speisekarte klingt hervorragend. hab sofort appetit bekommen.
dann habe ich weitergelesen und … nun hab ich doch nich mehr sone lust dort zu speisen. klingt wie: rach, der restauranttester. karte super, speisen alle in der friteuse und im mixer zubereitet 🙁
es grüßt herzlichst aus der öko-vegie-wg
die blonde
27. Juli 2010
Ganz recht, Herr Rach hätte seine Freude an dem Laden. Oder das Pankower Gesundheitsamt.