Juliane Schader

Mitbewohner gesucht

Das Leben in einer WG bringt viele Vorteile mit sich. Das permanente Suchen neuer Mitbewohner gehört nicht unbedingt dazu.

Nun finde ich es mäßig bedauerlich, dass der dem Buddhismus, Yoga und den heilenden Kräften von Nugat Bits anhängende Franzose uns zum Ende des Monats verlassen wird, wie man sich seit dieser Lektüre sicher denken kann. Seitdem wir auf der Suche nach einem Nachfolger für ihn sind, beschleicht mich allerdings der Gedanke, dass ich seine Vorträge über Orgelkonzerte in Kirchen und die Verzichtbarkeit eines Fernsehers noch vermissen werde.

Die liebsten potentiellen Mitbewohner sind mir immer noch die, die einen tagelang mit Mails über ihre große Vorfreue über das Kennenlernen nerven, und dann nicht auftauchen. Fast ebenso große Beliebtheit erreicht man bei mir durch den Zusenden von Links zu Websites, auf denen ich mich doch erstmal über die Zimmeranwärter informieren soll. Kleiner Hinweis an dieser Stelle: Wer Fotos von sich ins Internet stellt, auf denen er mit Barbiepuppen posiert, denen er mit Paint nachträglich einen Schnurbart gemalt hat, mit dem teile ich meine Waschmaschine nicht. Und auch zweiseitige Dossiers über die bisherige erfolgreiche Karriere als Student an ungarischen Privatunis und Wirtschaftsexperte der Julis sorgen nicht gerade dafür, dass ich die Person gerne kennenlernen, geschweige denn mit ihr zusammenleben möchte.

Zum Glück gibt es aber Menschen, die in der Lage sind, eine vernünftige E-Mail zu schreiben, die kommen dann in den Recall und dürfen bei uns Kaffee trinken. Wenn sie denn verstanden haben, dass so eine WG-Besichtigung nicht nur dazu gedacht ist, auf der mitgebrachten Liste abzuhaken, ob Badewanne, DSL und Waschmaschine vorhanden sind, in welchen Zustand, und mit welcher Frequenz der Putzplan rotiert.

Unlängst saß so bei uns in der Küche ein Mann, der Friedensforschung studiert hatte, mit dem Schwerpunktthema Krieg. Ausführlich konnte er uns darüber berichten, welche Gründe dafür sprechen, Afghanistan noch ein bisschen in einem kriegsähnlichen Zustand zu belassen. Was wirklich interessant war. Dass er nicht einziehen durfte, hatte andere Gründe – die Frage nach den Möglichkeiten, samstags Bundesliga zu schauen, hätte nicht seine erste sein dürfen.

Auch sehr schön ist die Geschichte von dem Mädchen, dass laut eigener Aussage „lange in Südafrika gelebt und gearbeitet“ hatte. Im Rahmen eines einmonatigen Praktikums, wie sich auf Nachfrage herausstellte. Vorher wollte sie eine Weltreise gemacht haben, die sich später zu einer Flugreise in die USA verkleinerte, und als sie dann von den vielen Jobangeboten zu sprechen begann, die ihr gerade vorlägen und die Mietzahlungen sicherstellten, mussten wir sie leider verabschieden.

Interessant finde ich immer die Reaktion der Leute darauf, wenn ich erzähle, was ich mache. Wer nichts mit Medien zu tun hat, fragt sich, ob dann wirklich mein Name in der Zeitung steht, und ob ich nicht auch mal für a) Neon oder b) die Bravo schreiben wolle.

Die zahlreichen Studis, die selbst noch in den Journalismus wollen, lächeln milde und lassen ausrichten, für sie käme unter einem Redakteursposten bei der Süddeutschen ja nichts in Frage. Immerhin haben sie von der schon mal was gehört; die taz kennen sie nämlich meistens nicht, oder denken, sie würde postum von Ulrike Meinhof herausgegeben. Muss ich noch erwähnen, dass sich auch diese Menschen ein Heim jenseits unserer Wohnung suchen müssen?

In zwei Wochen muss das Zimmer vermietet sein. Wer sich für 13 Quadratmeter im Prenzlauer Berg interessiert, soll sich melden. Ein Studium der Kriegsforschung ist kein Ausschlusskriterium. Ein Tribal-Tattoo kommt mir dagegen nicht ins Haus.