Juliane Schader

Mach mal Pause

Wenn man während dieses Tages ab und zu mal bei Twitter vorbeischaute, konnte man fast den Eindruck bekommen, die Menschen in Deutschland interessierten sich tatsächlich für diese Bundespräsidentenwahl. Was ich so erfreulich finde, dass ich mich nun guten Gewissens einem völlig anderen Thema widmen kann: Dem Arbeitsethos Berliner Asiaten.

Zum einen ist da diese schöne Geschichte, die mir unlängst eine Freundin über den asiatischen Spätkaufbetreiber ihres Vertrauens erzählte. Dieser hatte beschlossen, sich eine Auszeit von seinem 24-Stunden-Job zu nehmen und es mit einem entsprechenden Schild auch seinen Kunden mitzuteilen: „Wegen Urlaubs geschlossen vom 15. – 16. Juni“. Wobei ich nicht beschwören möchte, dass er wirklich des Genitivs mächtig war oder die Formulierung nicht doch etwas anders lautete.

Wie es sich für einen ordentlichen Stammkunden gehört, erkundigte sich besagte Freundin auch sogleich, ob der Jahresurlaub denn auch für eine Reise genutzt würde, was der Herr freudig bestätigen konnte: Nach Spanien sollte es gehen. Morgens hin, abends zurück. Ich möchte glauben, dass er bereits nur mit Badehose und Taucherbrille bekleidet in Berlin in die Tram stieg.

Zum anderen gehört endlich mal aufgeschrieben, mit welcher Beharrlichkeit die Verkäufer nicht ganz legal nach Deutschland gelangter Zigaretten ihrer Arbeit nachgehen. Bei Wind und Wetter sowie Tag und Nacht, unbeeindruckt von Sportgroßereignissen und ereignisreichen Großrazzien stehen sie in ihren angestammten Hausecken und S-Bahn-Eingängen und warten auf Kundschaft, für die sie dann stets zuvorkommend die Waren aus den Radkappen oder Blumenkübeln ziehen.

Wie wichtig deren Verlässlichkeit ist, durfte ich erst gestern wieder beobachten, als ich zu früher Stunde durch den Ernst-Thälmann-Park lief. Dort hockte auf einem Rasenkantenstein ein kleiner Asiat, stoisch die Balance haltend, bis sich ein deutscher Rentner in Unterhemd und Trainingshose näherte, den plastenen Einkaufsbeutel seiner Frau bereits im Anschlag. Die Freude auf beiden Seiten war unübersehbar, leider musste ich schnell weiter, so dass ich verpasste, wie sich Wolfgang und Annyong in die Arme fielen, bevor diverse Stangen Double Happiness ihren Besitzer wechselten. Undenkbar, was geschehen wäre, wenn Annyong zu dieser Zeit noch mit Frau und Kindern am Frühstückstisch gesessen hätte, wie es jede ordentliche Gewerkschaft verlangte.

Ganz recht, die fleißigen Asiaten halten diese Stadt am Laufen. Doch bevor hier jemanden ein schlechtes Gewissen beschleicht, kann ich noch vermelden: Dafür wissen sie auch einfach angemessen zu pausieren. Auf Inseln der Ruhe. Auch bekannt als Verkehrsinseln.