Juliane Schader

Never change the winning neighborhood

Vor einigen Tagen musste ich beruflich ins Knaack, und zwar zur Mittagszeit. Wie es sich für einen ordentlichen Club gehört, war es drinnen stockdunkel, doch man hatte zwei Scheinwerfer auf das Podium gerichtet, wo ein paar zerknirschte Berliner Clubmenschen saßen und der Presse mitteilten, dass das Knaack nun vermutlich umziehen müsse, weil ein paar Anwohnern die Musik zu laut sei.

An sich keine ungewöhnliche Geschichte, wenn nicht das Knaack 58 Jahre, die empfindlichen Nachbarn dagegen erst zwei Jahren alt wären. Neu zugezogen. In Eigentumswohnungen. In Szenenähe. Aber natürlich beschaulich und ruhig. Es ist wohl klar, wo dieser Text heute noch hinwill.

Als Zugezogener sollte man sich bei diesem Thema ja nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, und schon mal gar nicht, wenn die darunter liegende Straße im Prenzlauer Berg liegt. Dennoch finde ich es auf eine morbide Art faszinierend, dass es offenbar Menschen gibt, die Wand an Wand mit einem Club ziehen, sich dann wundern, wenn es laut ist, und es dann auch noch schaffen, vor Gericht durchzusetzen, dass nicht sie es sind, die wieder gehen müssen.

Das ist, als würde ich das Knoblauchrestaurant unten im Haus verklagen, weil es im Hausflur so riecht. Was eigentlich keine schlechte Idee wäre. Wenn mir nur eine gute Ausrede einfiele, wenn vor Gericht die Frage aufkommt, ob ich das Restaurant bei Einzug denn nicht bemerkt hätte?

a) Nein, ich bin blind, taub, und zum Zeitpunkt das Einzugs war ich auch noch kolossal erkältet.

b) Zur Anonymität der Großstadt gehört es, sich erst dann um seine Nachbarn zu kümmern, wenn sie anfangen, mit Zetteln im Hausflur vor Lärmbelästigung durch eine Hausgeburt zu warnen.

c) Ich mochte die Wohnung, und ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Letzteres muss wohl die Einstellung der oben genannten Nachbarn sein, zu deren Ehrenrettung man jedoch noch erwähnen muss, dass sie wohl Opfer von Pfusch an der Dämmung am Bau waren. Dennoch ist das Selbstverständnis, dass diese Eigentumsbesitzer allein aus der Tatsache, dass sie Eigentum besitzen, ableiten, unerträglich. Wer Szene will, darf gerne herkommen. Wer Ruhe will, soll in ein Erdloch ziehen. Wer beides will, soll sich ein Raumschiff kaufen und sich jeden Freitagabend vom Kollwitzplatz zwei Kilometer hoch in den Himmel schießen lassen. Aber wehe, die Sterne wispern noch vorm Einschlafen.

PS: Ein schönes Zitat habe ich noch. Es stammt vom zuständigen Pankower Stadtrat, der sich zwar aufgrund seiner Historie für den Erhalt des Knaacks einsetzt, aber meinte, Prenzlauer Berg lebe auch davon, dass es sich ständig ändere. „Am meisten wehren sich immer diejenigen gegen jede Veränderung, die selbst erst vor zehn Jahren hergezogen sind. Denen wäre es am liebsten, man übergösse die Stadt in dem Zustand, in dem sie sie damals vorgefunden haben, mit Plaste.“

Plaste aufs Knaack. Elaste für den Rest.

– Ende der Durchsage. –

  1. 28. Juni 2010

    Heute auch in der Berliner Zeitung:
    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/0628/seite3/0001/index.html

    Wohl von einer ebenfalls anwesenden Kollegin 😉