Ich mag Twitter. Man könnte sogar fast sagen: Ich liebe es. Jeden Tag spült es mir Texte und Infos in den Browser, die ich sonst sicherlich verpassen würde. Was meist egal und meiner Arbeit zuträglich, aber dennoch sehr schade wäre. Doch als ich gerade von einem Termin zurückkam und gleich überprüfte, was während meiner Abwesenheit bei Twitter passiert war, hinterließ mich das ratlos: Blumenkübel? I don’t get it.
Es ist noch nicht allzulange her, da arbeitete ich für eine Regionalzeitung am Rande der Welt, den wir Niedersachsen nennen. Jeden Tag erreichten einen da die spektakulärsten Polizeimeldungen: abgetretene Außenspiegel, vergessene Schulrucksäcke, und ja, auch umgefallene Blumenkübel. Ein Blick ins Archiv hat mir eben noch mal bewiesen: Das ist da ständig ein Thema. Im Sommerloch natürlich auch mit Bild.
Neuenkirchen, wo die zerstörten zwei Blumenkübel gefunden wurden, hat 14.000 Einwohner. In NRW sind gerade Ferien, da ist es vielleicht derzeit sogar nur die Hälfte, doch die Seite muss trotzdem befüllt werden.
Noch Anfang dieses Jahres habe ich selbst jeden Tag eine Seite für zwei Gemeinden mit etwa 15.000 Menschen zuschreiben müssen. Mit Texten über einen Bauern, der für seine Kinder einen zwei Meter hohen Schneehügel aufgeschüttet hat. Mit einem entlaufenen Pferd. Mit den freundlichen Frauen, die den Männern von der Freiwilligen Feuerwehr beim Einsatz Kaffee kochen. Mit dem hilflosen Versuch einer Initiative, in ihrer Winzortschaft wieder eine Postfiliale zu errichten.
Natürlich war das für mich persönlich nur beschränkt spannend. Aber die Menschen abonnieren sich nun mal ihre Lokalzeitung, um genau das zu lesen. Für uns Medien-Großstätter ist das alles völlig absurd, weil es uns völlig egal ist, ob Blumenkübel zertreten werden oder Mülltonnen brennen. Für Leser einer Lokalzeitung (in anderen Worten: Rentner auf dem Land) ist das nunmal anders. Ist es deswegen lustig?
Ich glaube, Lokalzeitungen haben ein Problem. Weil ihnen die Distanz fehlt zu vielen Dingen, über die sie berichten, und damit der Abstand, um kritisch zu sein und ihren journalistischen Job zu machen.
Artikel über Blumenkübel sind da wirklich das kleinste Übel.
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Nachtrag:
Dank taz.de weiß ich jetzt, dass es sich bei der Autorin um eine Praktikantin handelt. Da macht man sich ja über die Richtige lustig. Not.
5. August 2010
Liebe Juliane. Ist das lustig? http://bit.ly/bbKNJy Ich finde: ja! (Mag an meinem fehlenden Background in der Lokalberichterstattung liegen, aber: geschenkt.)
5. August 2010
@mario Es macht mich zumindest sehr froh, nicht Katharina Hövels zu heißen. Denn letztendlich eignen sich wohl 80 Prozent der Artikel in der Lokalpresse, um genau so etwas daraus zu machen.