Juliane Schader

Fünf Dinge, die ich an Lokalzeitungen nie verstehen werde

Als Reisender durch Deutschland hat man es heutzutage nicht leicht. Und nein, das liegt ausnahmsweise einmal nicht an der Deutschen Bahn, sondern an der Filialisierung der Fußgängerzonen. Völlig egal, ob man nach Görlitz, Dresden oder Regensburg reist, Rossmann, Fielmann und ihre Freunde sind immer schon da. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, will man herausfinden, ob man gerade in einer Kochlöffel-Filiale in Amberg oder Peine speist: Man verlässt sie schnellstmöglichst und bestellt in der nächstgelegenen Kaschemme ein Bier vom Fass. Oder man geht an den Kiosk und ordert die Lokalzeitung.

Während ich derzeit durch Deutschland reise, wähle ich zugegebener Maßen oft beide Optionen. Da ich Journalistin und nicht Braumeisterin bin, muss ich es beim Bier leider bei der pauschalen Aussagen belassen: Das mit dem Zwerg drauf hat mir gut gefallen (Ja, ganz recht, wegen des Zwergs drauf).

Bier

 

Zu den Lokalzeitungen fällt mir jedoch ein wenig mehr ein. Und damit Sie hier weiterlesen, obwohl, so viel sei hier schon verraten, kein Bier-Bild mehr kommt, und weil es so schön klingt, habe ich es auf fünf Merkmale beschränkt.

 

1. Ein Autor namens dpa

Es ist nicht so, als ob ich nicht verstände, dass eine Regionalzeitung nicht in aller Welt einen Korrespondenten haben kann. Nicht mal in jeder Berliner Ausschusssitzung. Da darf man ruhig die dpa bemühen, denn dafür ist sie ja da.

Was ich aber nicht verstehe, ist, wenn die gesamte Zeitung mit Ausnahme des Lokalteils aus dpa-Meldungen besteht. Beim Fränkischen Tag scheint man sogar dazu übergegangen zu sein, Texte, die noch von Hand selbst geschrieben und recherchiert wurden, explizit mit „von unserem Redaktionsmitglied“ zu kennzeichnen. In dieser Zeitung entdeckte ich auch eine komplette sechsseitige Beilage mit dem schönen Titel „Journal“, die ausschließlich aus dpa-Stücken gebaut war. Und so nicht einmal Platz für Anzeigen generierte, denn die einzige Werbung in dem Teil war für die Verlags-eigene Lesereise.

Sonst werden gerne Online-Medien dafür verdammt, dass sie die hohe Kunst des Copy-Paste so exzessiv bemühen. Lokalzeitungen beweisen, dass man Kopiertes durchaus auch noch ausdrucken kann.

 

2. Unser Freund, die Geschäftseröffnung

Nennt mich altertümlich, aber ich finde, wenn an der Ecke ein neuer Fleischer eröffnet, dann kann das gerne in der Zeitung stehen. Im Anzeigenteil. Einzige Ausnahme: Der Fleischer ist a) der erste überhaupt, b) früher mal bei GZSZ aufgetreten oder c) Vegetarier. In den Fällen, die ich in den letzten Tagen beobachtet habe, war das aber jeweils nicht gegeben.

 

3. Die hohe Kunst des Freistellens

Ich stelle mir das in etwas so vor: Als im Jahr, seien wir realistisch, 2009 das Programm Photoshop Einzug in die Lokalredaktionen hielt, war das eine große Enttäuschung: So viele schöne Optionen, den Himmel pink, die Schrankwand zum Strand und dicke Oberschenkel etwas weniger dick zu machen. Und die Journalisten durften keine davon benutzen. (Außer, sie waren angestellt bei einer dieser TV-Illustrierten.) Sich auf ewig auf das Erhellen unterbelichteter Amateurfotos und das Verpixeln von Nummernschildern zu beschränken, kam nicht in Frage. Da entdeckte jemand die Funktion des Freistellens. Die seither genutzt wird, bis, äh, in diesem Fall der Kran kommt:

Zeitung

Aufmacher des Bamberger Lokalteils des Fränkischen Tags vom Freitag, 19. Juli.

Noch schöner wäre es nur, hinge der Oberbürgermeister am Haken und der Manager tanzte auf dem Dach. Ich nehme an, diese Variante fiel dem nahendem Redaktionsschluss zum Opfer.

 

4. …

Ich bin wahrlich kein Fan wahlloser Verbote für Journalisten. Sollen doch bitte von mir aus alle „letzte Woche“ schreiben, obwohl die Erfahrung zeigt, dass die vergangene gar nicht die letzte aller Wochen war. Nur eins halte selbst ich für grenzwertig: Artikel mit „…“ zu beenden. Waren die Smileys aus? Keine Zeit mehr, noch einen abschließenden Gedanken zu formulieren? Keine Lust? Auf der Punkt-Taste eingeschlafen?

Und was soll mir das sagen? Sie wissen schon? Bleibt abzuwarten? Sie, lieber Leser, sind mir so vertraut, dass ich mit ihnen kommuniziere wie sonst nur mit meinen Freundes per Sms? Sachdienliche Hinweise bitte an mich.

 

5. Die Irrlichter des dialektisch wie verwunschen-verschwurbelten Feuilletons

Kein Fremdwort, kein Fachausdruck, geschweige denn ein Nebensatz darf in den Lokalteilen auftauchen, damit auch ja jeder die Texte versteht. Nur im Kulturteil müssen die Redakteure auf Teufel komm raus gegen das Stigma anschreiben, das sie scheinbar belastet, weil eben meist „Kultur“ statt Feuilleton“ am Kopf ihrer Seite steht.

In den vergangenen Tagen habe ich mehrfach Rezensionen gelesen, nach denen ich ausführlich informiert war, und zwar sowohl über die Länge des gespendeten Applauses als auch über die Liebe des Autors für seltsame Adjektive. Nur der Inhalt des Stücks bzw. Buchs war auch nach 80 Zeilen bei mir nicht angekommen. Schade, irgendwie. Denn, versöhnliches Fazit: Lokaljournalismus ist so wichtig und spannend, finde ich. Nur lesen können sollte man ihn eben auch.

Ich hätte hier gerne auch das ein oder andere Beispiel verlinkt. Leider stehen die Texte aber entweder nicht online oder hinter einer Bezahlschranke. 

 

  1. 22. Juli 2013

    Um zum Anfang des Eintrags zurückzukommen: Ich glaube, das Lied Fußgängerzonen von Rainald Grebe könnte Ihnen gefallen.

  2. 3. August 2013

    Das Fußgängerzonenproblem ist ein globales. Ich war neulich in Kanada, da sah es in den Einkaufsstrassen der Kleinstädte genauso aus. Starbucks, Subway, Burgerladen, eine Drogeriekette, Telefonshops und Ramschläden. Der Versuch, ausgefallene Süßigkeitenmarken (Sie wissen schon, die besonders ekligen, klebrigen Sachen) zu kaufen, artete in echte Arbeit aus, denn die meisten Läden hatten ziemlich exakt das Sortiment, das man auch hier erwerben kann.

    Irgendwo im Internet gab es auch mal eine Stilblütensammlung des Lokaljournalismus. Tanzbein schwingen, Röckröhren singen hören und ausgelassene Stimmung. Finde ich leider nicht mehr.

  3. 3. August 2013

    Hallo Juliane, so gerechtfertigt die Kritik ist, so wenig verstehe ich die Intention des Blog-Eintrags. Sollen regionale Zeitungen auf dpa verzichten? Sollen sie die – durchaus guten – Beiträge der Agentur nicht als solche kennzeichnen? Ich denke, dass auch die Macher der von Dir kritisierten Zeitung ihre Leser im Blick haben. Und das sind nicht immer reisende Journalistinnen, die viel über die Hintergründe des Blattmachens wissen. Für sie zählt womöglich, dass ein Artikel schlicht gut ist – egal ob ihn ein dpa-Kollege oder ein Journalist vor Ort geschrieben hat.

  4. 3. August 2013

    Hallo Juliane, es ist immer gut, Kritik von außen zu lesen. Dennoch ist mir nicht klar, weshalb die Lokalzeitung nicht den Autor des Artikels korrekt angeben sollte. Was ist so schlimm daran, dpa anzugeben? Sollte man lieber gleich auf diese Angabe verzichten? Und mit Verlaub: es gibt sowohl gute und schlechte Rezensionen in lokalen, aber auch in überregionalen Medien. Was im Übrigen auch für gelungene oder nicht gelungene Grafiken/Bilder gilt.

    • 3. August 2013

      @Petra

      @Petra und Martin
      Ich habe rein gar nichts gegen die dpa, und dass sie von Redaktionen genutzt wird. Wenn jedoch ganze Bücher nur aus ausgedruckten dpa-Texten bestehen, und die redaktionelle Leistung darin besteht, die dort hinein zu kopieren, dann mache ich mir doch Sorgen. Genau die gleichen Texte stehen nämlich bereits am Vortag ungefähr überall im Netz.

  5. 4. August 2013

    Ob das ein Grund zur Sorge sein muss, wird der Markt entscheiden. Wenn zwischen 80 und 90 Prozent der Print-Abonnenten das Internet nicht nutzen, ist es für sie eben doch neuer Inhalt, den sie lesen. Die Herausforderungen für eine Redaktion in heutiger Zeit ist es eben zum Beispiel auch, anzuerkennen, dass es viel mehr als eine Zielgruppe (=der treue Abonnent) gibt. Es gibt den Gelegenheitskäufer, der auch regelmäßig im Netz surft, den Dauersurfer, der niemals eine Zeitung kauft, den Nur-Zeitungleser usw. Und letztlich müssen Redaktionen für alle diese Zielgruppen Angebote machen und dabei auch immer wirtschaftlich arbeiten. Was bringt’s zum Beispieln, wenn ein eigener Autor etwas über Allergien schreibt, obwohl es die Agentur schon gemacht hat? Das ist kein Unterschied für den Leser. Und nicht immer lohnt sich das Regionalisieren von solchen Ratgeber-Texten. Im Übrigen: In anderen Industriezweigen ist der Zukauf aus dritter Quelle vor dem Weiterverkauf an den Kunden längst üblich und wichtig für den Geschäftserfolg. Nicht jeder Bäcker mahlt sein Mehl auch noch selbst …

  6. 5. August 2013

    Ein Grund zur Sorge wäre es, wenn die Artikel der dpa-Kollegen schlecht wären. In aller Regel sind sie das nicht. Daher muss jede Redaktion entscheiden, worauf sie Wert legt. Und was die dpa nicht kann.
    Selbst wenn die Artikel am Vortag im Netz stehen, heißt das nicht, dass sie alle Abonnenten der Tageszeitung schon gelesen haben. Von einem reinen Reinkopieren als redaktionelle Leistung zu sprechen verkennt, dass aus dem riesigen Nachrichten-Angebot immer auch eine Auswahl getroffen werden und die einzelnen Nachrichten gewichtet werden müssen. Auch das ist eine redaktionelle Leistung.

  7. 1. September 2013

    […] Fünf Dinge, die ich nie an Lokalzeitungen verstehen werde. (juliane wiedemeier) […]

  8. 7. September 2013

    […] Fünf Dinge, die ich an Lokalzeitungen nie verstehen werde http://www.juliane-wiedemeier.de/?p=2509 […]

  9. 10. August 2015

    […] Fünf Dinge, die ich nie an Lokalzeitungen verstehen werde. (juliane wiedemeier) […]