Juliane Schader

There’s Always Money In The Banana Stand

Am vergangenen Wochenende war ich in Hamburg. Oder besser: In einer Stadt, von der ich glaube, dass sie Hamburg war, denn außer dem NDR-Gelände und einem Gasthaus am Rande der 70er habe ich nicht viel gesehen. Was allerdings erst meine und dann die Schuld des auf Krawall gebürsteten Wetters war. Doch ich schweife ab.

NDR-Gelände also, und mancher wird schon ahnen, was jetzt kommt, nämlich ein paar Gedanken zum Kongress des Netzwerks Recherche. Netter Weise hatte es mich eingeladen, ein wenig über die kleine Prenzlette zu sprechen, was man ja auch nicht oft genug tun kann. Entsprechend hatte ich mich vorbereitet auf Diskussionen über die vermeintlich zweifelhafte Seriosität des Internets, die Banalität des Lokalen im Allgemeinen und die Bratwursthaftigkeit der dort üblichen Wortwahl im Besonderen. Ich wollte über die Rolle als vierte Gewalt sprechen, die Direktheit des Lokalen preisen und nochmal die Sache mit der Trägermedium, das doch so wenig aussagt über die Qualität des Getragenen, erwähnen.

Doch dann wollten doch nur alle wissen, wie ich mich eigentlich finanziere. Und zwar weniger aus Sorge um mein persönliches Wohlergehen, sondern eher aus dem fehlenden Vertrauen darauf, sich selbst in Zukunft aus den bestehenden Strukturen heraus versorgen zu können. Kurz: Die Journalisten haben ihren Glauben an die Verlage verloren (oder zumindest die, mit denen ich gesprochen habe). So musste ich als Freie, die für ein mikroskopisch kleines Start-up arbeitet, bei dem niemand weiß, wo das noch hinführen soll, plötzlich den gutbezahlten Festangestellten großer Verlagshäuser Mut zu sprechen.

Ich habe mich noch nicht entschieden, wie ich das finden soll und was das eigentlich über den Zustand des Journalismus aussagt. Zumal ich an normalen Tagen als Motivator in etwas so geeignet bin wie Lothar Matthäus als Beziehungscoach oder Klaus Wowereit als Planer eines Flughafens.

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Armin Wolf hat zu Beginn der Tagung eine wunderbare Rede gehalten, die jeder hier selbst nachlesen sollte. „Fürchtet Euch nicht“, lautet seine Empfehlung. Mir ist bei der Gelegenheit überhaupt erst aufgefallen, wovor man eigentlich so alles Angst haben kann als Journalist. Für mich fallen, ein Glück, Dinge wie „dieses Internet“, „diese Blogger“ und „dieses Facebook“ sowie „mein cholerischer Chef“ oder „die Dame, die die Spesenabrechnung kontrolliert“ weg. Doch eine Angst bleibt: Dass ich irgendwann von meinem Job nicht mehr leben kann. Im Zweifelsfall, obwohl ich 40 Stunden in der Woche und mehr arbeite.

Woran das liegt, das Argument hat Wolf mir gleich mitgeliefert, als er eigentlich das Gegenteil erreichen wollte: Die Musiker der Wiener oder Berliner Philharmoniker fühlten sich doch auch nicht bedroht, wenn ein paar Kids Gitarre-Unterricht nähmen und die Videos ihrer Band auf YouTube stellten, erzählte er. Warum hätten also die Journalisten Angst, wenn im Internet jeder publizieren könne?

Weil die Intendanten der Philharmoniker vielleicht nicht auf die Idee kommen, die Pauken und Trompeten spontan einer Gruppe Grundschüler zu überlassen. Deutsche Verleger aber schon. Nichts anderes passiert schließlich, wenn im Lokalen plötzlich Leserreporter die Arbeit übernehmen, denen Ruhm, Ehre und ein iPad mehr als Lohn genug sind. Satt der Symphonie gibt es Krach, aber das ist immer noch besser als Stille, scheint das Konzept dahinter zu sein. Nach der gleichen Logik versuchte mein Vater einst meine Lieblingsschuhe zu reparieren. Sagen wir so: Die Sache mit der Heißklebepistole war keine gute Idee.

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Da wir gerade von Deprimierendem und Vergangenem sprechen: Ich habe bei der Konferenz auch eine meiner ehemaligen Mit-Volontärinnen getroffen. Wir haben gemacht, was man bei so einer Gelegenheit immer macht, nämlich durchgesprochen, wer aus meinem und aus ihrem Jahrgang eigentlich jetzt wo gelandet ist. Bei über 50 Prozent der Kollegen lautete die Antwort: In der PR. Mein Volo ist drei Jahre her.

Ob sich dieser Beruf auf die Dauer eine derartige Abwanderung seines Nachwuchses leisten kann, dürfen jetzt gerne die beantworten, die Drei-Monats-Verträge für angemessen halten und die Ehre, gedruckt zu werden, für einen sehr nahrhaften Brotaufstrich, von dem es sich gut leben lässt.

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Die gute Nachricht ist aber: Es sind nur die Umstände, die mies sind. Der Beruf bleibt großartig.

  1. 19. Juni 2013

    Die Rede von Armin Wolf hat mir auch gefallen.

    Zu dem Vergleich: „Weil die Intendanten der Philharmoniker vielleicht nicht auf die Idee kommen, die Pauken und Trompeten spontan einer Gruppe Grundschüler zu überlassen.“

    Naja, ein kleiner Einwand:Ganz so passiv waren und sind die Verlage ja nicht. Es standen halt plötzlich überall zusätzlich „Pauken und Trompeten“ zur Verfügung. Die Philharmoniker zeigen ihre Instrumente zwar auch regelmäßig her, haben jedoch schon frühzeitig darauf bestanden, das diese ihnen gehören und die „Qualitätsmusik“ ebenso! (Stichworte: Urheber, Verwerter, LSR…)

    • 19. Juni 2013

      @meykosoft

      @meykosoft
      Aber, um das Bild noch etwas weiter zu drehen und ebenso zu strapazieren:
      Die Philharmoniker mussten nicht darauf bestehen, dass sie Qualitätsmusik machen. Sie haben sie einfach gemacht, sodass jedem klar war, dass kein Grundschul-Blockflöten-Quartett mit ihnen mithalten kann.
      Die Journalisten haben es derweil mal – zumindest online – mit den Qualitätsgaranten Klickstrecke und Prominews probiert.

  2. 19. Juni 2013

    Tja, das Problem ist, dass für das, was journalistisch angeboten wird, ein Überangebot an journalistischem Personal besteht. Blogs füllen mehr oder weniger lediglich die Lücken, die der qualitative Journalismus offen lässt. Dabei wird die Bandbreite der Bezahlschreiber eher kleiner und der Horizont kürzer, die Lücken größer, und die füllen dann eben die, die mit Leidenschaft bei der Sache sind. Braucht die schreibende Presselandschaft wirklich 20 Publikationen mit 50 Journalisten, um dem Leser zu erklären, dass die syrischen Rebellen die Guten und Assad der Böse ist? Es gab Zeiten, da konnte man zwei oder drei Zeitungen kaufen, die alle durchaus unterschiedliche Blickwinkel und Aspekte beleuchteten – heute gibt es dort, wo rationalisiert wird, Agentur-Einheitsbrei. Überall das gleiche. Bestes Beispiel: Die propagandistische Liefers-Lustreise.

    „Bei über 50 Prozent der Kollegen lautete die Antwort: In der PR.“
    Ich nehme mal an, es gibt vielleicht doch ein paar feste Verlagsanstellungen. Insofern: Dürften es mehr als „über 50 Prozent“ sein. ^^

  3. 19. Juni 2013

    Journalisten tun immer so als kämen die Artikel „gottgegeben“ in die Zeitung. Dem ist aber nicht so. Die Artikel hat jemand geschrieben und gedruckt/onlinegestellt um Geld zu verdienen. Er erhofft sich, so wie jeder Unternehmer in jeder Branche, Profit. Doch für welche Leistung? Wo ist da ein Mehrwert, für den der Kunde auch zahlen würde?

    Journalisten saßen auf einem Wissensmonopol und dieses Wissen um die Geschehnisse in der Welt haben sie nur gegen ein ausgesprochen hohes Schutzgeld vorgefiltert (zensiert?) weitergegeben. Heute wo dieses Monopol auf natürliche Art und Weise weggefallen ist können sie nicht mehr an der Informationsautobahn stehen und die Hand für Bakschisch aufhalten, bevor jemand weiterfahren darf: Ohne Monopol kein Geschäftsmodell.

    Ich persönlich habe absolut kein Interesse an Informationen, die ich erst erhalte, wenn sie schon durch’s Axel-Springer-Haus geflogen sind. Entweder ich bekomme die Infos vorher oder sie haben keinen Wert mehr für mich. Die gleischgeschaltete Presse sieht das anders. Gefühlte 80% aller Artikel sind vom Praktikanten aus der dpa-Flatrate zusammengeklickt und der Rest ist von fertig Ausgebildeten zusammengefasste dpa-Artikel. (Wenn wir die kleinen Berichte über das neue Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr und das Weihnachtssingen des örtlichen Seniorenkreises mal außen vor lassen)

    Gut in Erinnerung ist auch die Debatte um das Leistungsschutzrecht, das die Journalisten dazu benutzt haben um auch wirklich dem letzten klar zu machen, dass „Qualitätsjournalismus“ nichts mit Qualität oder Journalismus zu tun hat, sondern nur die Manipulatiuon der Massen für den eigenen Profit ist.

    In diesem Sinne: Ändert euch oder geht pleite!

  4. 19. Juni 2013

    „Die Musiker der Wiener oder Berliner Philharmoniker fühlten sich doch auch nicht bedroht, wenn ein paar Kids Gitarre-Unterricht nähmen und die Videos ihrer Band auf YouTube stellten“
    –>
    http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/germany/10098301/Pianist-Krystian-Zimerman-storms-out-of-concert-in-protest-at-being-filmed-on-phone.html

    „When Mr Zimerman returned a few minutes later, he told audience members that he had lost work through films posted on YouTube.[…]
    He said: „The destruction of music through YouTube is enormous.“ „

  5. 19. September 2013

    Ich habe ihren Blog durch Bildblog gefunden und bin hängengeblieben. Geschriebener Humor will gelernt sein und hier wird er wirklich gelebt. Dazu erfährt man sogar noch etwas über Berlin, Deutschland und wie das eigentlich so läuft mit dem Journalismus. Und wenn ich dann noch ein Zitat aus Arrested Development entdecke kann es eigentlich nur eins heißen: Ab in die Lesezeichenliste mit dir.

    • 19. September 2013

      @Ivo

      @Ivo
      Vielen Dank und herzlich willkommen!