Juliane Schader

In weiter Ferne, so nah!

Seit ein paar Stunden ist es amtlich: Ich werde in diesem Sommer München besuchen. Für manche ist das vielleicht eine langweilige Meldung wie Ölpest, Präsidentenrücktritt oder Gesangseuropameister: Passiert ständig, Neuigkeitswert gleich null. Doch für mich ändert das einiges.

Zum Beispiel einen Satz, den ich schon sehr lange in Gebrauch habe und der zum Inhalt hat, dass ich in meinem Leben nur einmal München besuchte, und zwar im April 1986. Damals holten meine Eltern in einem bei München gelegenen Motorenwerk das Auto ab, in dem wir Kinder jahrelang die Schuhe ausziehen mussten, damit die Matten auf den Matten auf den Matten im Fußraum nicht dreckig wurden. Und das erst im letzten Jahr den Weg aller Abgewrackten ging, nicht, ohne dass der Verlust von meinem Vater mit der Errichtung eines Altars im Wohnzimmer gewürdigt wurde:

Darüber hinaus kultiviere ich schon seit Jahren das Gefühl einer gewissen Überlegenheit gegenüber dieser Stadt, das darauf beruht, nichts über sie zu wissen, sowie einem Beitrag Harald Martensteins aus Zeiten, in denen er bei watch-berlin.de ein Videoblog betrieb. In diesem charakterisierte er München als unglaublich langweilig, was er mit einem Mangel an kleinen Geschäften begründete – und vor meinem geistigen Auge ein Bild Münchens entstehen ließ, das stark an Großräschen-Süd erinnerte. Wo wir einst mit besagtem Auto aus München Station machten, kurz bevor es dem Braunkohle-Tagebau zum Opfer fiel.

Aufgrund gepflegter Vorurteile und dem Urteil des Herrn Martenstein – das ich sehr schätze; niemand fand schönere Worte als er für das schrecklichste Einkaufszentrum der Welt, das wir Alexa nennen, als er schrieb: „Stell dir vor, Adolf Hitlers ,Führerbunker‘ ist bei einer Bombenexplosion aus dem Untergrund nach oben gedrückt worden. Berlin hat den Bunker an den Travestieklub ,La vie en rose‘ verpachtet, die haben den Bunker schweinchenrosa angestrichen.“ – habe ich also München seit Jahren verspottet. Und nun werde ich hinfahren, mit dem einzigen Ziel: Diese Vorurteile zu belegen. Oder zumindest den Briefkasten von Uli Hoeneß‘ Wurstfabrik mit Sojaschnitzeln zu blockieren.

Zum Glück reise ich nicht ganz alleine, sondern begleite eigentlich jemanden, der – in Erwachsenensprache – beruflich da zu tun hat. Und sich auskennt. Was gut ist. Denn wir reisen mit dem Flugzeug an, und allein die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt soll sich schwierig gestalten, habe ich gehört.