Juliane Schader

Let’s go to the mall

Ich gehe nicht besonders gerne shoppen. Und kenne mindestens eine Person, die beim Lesen dieses Satzes einen Edding aus der Schublade zieht und ihn dreimal dick auf dem Bildschirm unterstreicht und mit Ausrufezeichen versieht.

Doch manchmal hat man keine Wahl, denn dann kommt die kleine Schwester zu Besuch. Aus der Provinz. Wo es nicht so viele feine Einkaufszentren gibt wie in der Großstadt. Was zwangsläufig dazu führt, dass man einen Großteil seiner Tagesfreizeit gemeinsam mit Schule-schwänzenden Berufsschülern, die sich auf dem Weg vom Sonnenstudio ins Sonnenstudio mal eben die Nägel machen lassen müssen, und übergewichtigen Muttis, die die aktuelle Folge von We are Family schon kennen, in überheizten Räumen verbringen muss. Beschallt durch Barry Manilow. In der Nase den Geruch von Ditsch. Und Synthetik. Was einen gleichzeitig auch blendet. Neonfarben, Pimky… und schon sind wir im Thema.

Wenn ich selbst mal so ein Shoppingzentrum aufsuche, dann steuer ich immer die gleichen Stationen an. Und dazu gehören eben weder Pimky. Noch Orsay. Noch New Yorker. Noch Nanu Nana. Noch Cheap and Awful. Und da erst gar nicht in die Abteilung, die der Laden selbst als „das Richtige für junge und junggebliebene Frauen“ charakterisiert.

Meine Schwester sieht das anders.

Nicht, dass man mich falsch versteht: Sie ist jünger, sie darf das. Aber für mich war es doch ein Ausflug in eine fremde Welt.

So gab es in einem Laden mit Namen Weltbild, als ich ihn vor Jahren das letzte Mal besuchte, noch Bücher. Mittlerweile haben sich daneben Hornhautfeilen und Sets zum Schokoladen-Gießen etabliert, mit denen sich die Menschen die Freizeit vertreiben können, die gerne Schokolade kaufen, einschmelzen und dann in bei Weltbild gekauften Förmchen erneut zu Tafeln erstarren lassen.

Dass sich der Laden, der sich nach einem altväterlichen Verwunderungsausdruck benannt hat, dem Verkauf eben solcher lebensnotwendigen Artikel verschrieben hat, was schon zu meiner Zeit so. Die überdimensionalen Plüsch-Säcke mit der Aufschrift „Alter Sack“, die Kaffeebecher mit zwei Litern Fassungsvermögen und die kleinen neonfarbenen Plastikkugeln, in die man während der Ferien seine Blumen pflanzen soll und die angeblich mit der Zeit zu Wasser werden. Aber wohl eher ein Garant für die chemische Zersetzung mit Übergang in einen giftgasförmigen Zustand sind, gab es noch nicht.

Aus dem gleichen Material wie besagte Kügelchen werden meiner Meinung nach auch die meisten Kleidungsstücke gefertigt, die in einschlägigen Modeboutiquen zu erwerben sind. Die chinesische Chemieindustrie muss wirklich gut verdienen an den Dingen, die moderne Dreizehn-, na, sagen wir Elfjährige als stylische Tops empfinden. Und auch deutsche Hautärzte könnten vermutlich dicht machen, wenn diese Kids nicht genug Taschengeld und Selbstbewusstsein hätten, sich sowas zu kaufen. Was ja auch etwas Gutes hat, immerhin sichern sie so die Arbeitsplätze Gleichaltriger in Schwellenländern.

Womit ich hier über diverse Zeilen erfolgreich dargelegt habe, dass ich nicht nur 100.000 Jahre alt bin, sondern auch unglaublich reaktionär. Der sich aufdrängenden Vermutung, ich kleidete mich in selbstgeklöppelte Sackleinen, muss ich jedoch widersprechen. Ich mag nur einfach nicht so gerne Kleidung, die beim Bügeln verdampft. Aber immer gut zu wissen, dass das möglich wäre.