Juliane Schader

Von Sprechblasen und Krümelmonstern

Entschuldigt, dass ich so lange nicht da war, ich saß fest in der längsten Pressekonferenz der Welt. Und das nicht zum ersten Mal.

Im Prinzip habe ich gar nichts gegen PKs. Der Kaffee ist zwar meist gewöhnungsbedürftig lange abgestanden und stammt aus großen Kannen, die mich stets an Kuchenbuffets am Elternsprechtag erinnern. Dafür gibt es absurde Schnittchen, die ich mir nie zu Hause machen würde, denn wer legt schon Erdbeeren auf seine Käsebrote? Und standardmäßig natürlich Keksmischungs-Gebäck, das zwar staubtrocken ist, aber wie alles andere das wichtigste aller Journalisten-Kriterien erfüllt: Es ist umsonst.

Im besten Fall sitzen vorne an einem Tisch drei Leute, jemand hat daran gedacht, ihnen auch für Sehbehinderte in der letzten Reihe noch lesbare Namensschilder vor die Nase zu setzten, und in einer halben Stunde ist die Sache gegessen.

Schwerer hat man es, wenn man ein zwanzigköpfiges Podium vor sich hat, die alle etwas sagen und sich ab einer bestimmten Zeit auch gegenseitig ins Wort fallen wollen, weil man hier zwar für ein gemeinsames Thema sitzt, aber das noch lange nicht bedeutet, auch einer Meinung zu sein. Und das soll so auch bitte nicht in der Zeitung stehen.

Und im schlimmsten Fall gerät man in etwas, dass eigentlich die Nachbesprechung eines komplizierten, langwierigen, noch nicht ganz abgeschlossenen Konzeptes ist, an dem hauptsächlich Sozialarbeiter mitgewirkt haben, die nun, der Transparenz wegen, die Medien dazugebeten haben und das ganze daher Pressekonferenz nennen. Denn niemand hat behauptet, dass die nicht auch mal mehrtägig sein können.

Einige der eindrucksvollsten Pressekonferenzen habe ich in meiner Zeit in der Provinz erlebt, als die Presse immer nur aus dem Kollegen von der Konkurrenzzeitung am Ort und mir bestand. Mit der stets gleichen Choreographie, nach der sich der Kollege um neue Rekorde in der Vertilgung besagter Gebäckmischungen bemühte, während ich die Fragen stellte. Zum Schluss klopfte er mir dann auf die Schulter und sagte, er habe mir mal den Vortritt gelassen, denn ich solle ja noch was lernen. Ich hätte ihm im Gegenzug auf den stetig wachsenden Bauch klopfen sollen, unterließ es aber, denn Menschen, die in zehn Minuten 500 Gramm Kekse vernichten können, möchte man nicht zum Feind haben.

Unvergessen ist für mich die PK eines Kunstvereins, deren Mitglieder sich während der Sitzung so zerstritten, dass einzelne Seiten der eben nicht von allen abgesegneten Pressemitteilung vernichtet werden mussten. Während der Pressekonferenz, das wurde genau kontrolliert. Fast ebenso schön war das Treffen mit den Vertretern einer pädagogischen Fachkonferenz, die eineinhalb Stunden lang nicht einsehen wollten, dass ich nicht für „Der Lehrer“ oder wie auch immer Fachzeitschriften in diesem Bereich heißen mögen schrieb, sondern für die örtliche Lokalzeitung. Und auch das Gespräch mit den Guttemplern über ihr Engagement für den Führerschein-Idiotentest werde ich nicht vergessen – jedoch nur, weil ich mich nie genau entscheiden konnte, wo ich hingucken sollte: Auf die verquollene Säufernase des Chefguttemplers, auf das Sauerstoffzelt seines Vertreters, oder vielleicht doch auf meinen Werbekuli von Aperol, mit dem ich das ganze protokollierte?

Wie auch immer der Kaffee, die Kekse oder die Gesprächspartner sein sollten – in bester Erinnerung behält man so eine Konferenz doch, wenn sie nicht zu lange dauert. Heute brachte man es auf zwei Stunden – zumindest war das der Zeitpunkt, als ich beschloss, nicht auch noch die dritte Diskussionszeitschleife zum immer gleichen Thema abzuwarten. Als ich mich leise aus dem Saal schlich (immer hinten sitzen nicht vergessen) kam es dann zum GAU: Man folgte mir. Und fragte: „Sie wollen schon gehen?“ Seit genau eineinhalb Stunden wäre die einzig adäquate Antwort gewesen.

  1. 19. Mai 2010

    Ich verehre dich bis in alle Ewigkeit für die neuerliche Verkündung des Journalistenprimats „Kostenfreiheit“. Werde dich dazu im realen Leben behelligen auf dass ich mir auch morgen noch Auge in Auge mit Leon Moreno Putensteaks ins Gesicht schieben kann.