Juliane Schader

Frank Henkel macht’s richtig

Ich bin untröstlich, aber wir müssen über die Berliner Wahlplakate reden.

Die SPD zum Beispiel:2016-08-03 11.25.23

Im Matheunterricht der Schule, die ich besuchte, wurde das Ergebnis immer größer, wenn sich das Zusammenzurechnende vermehrte. Einzige Ausnahme waren negative Werte – aber wenn Berlin derzeit negative Lehrerzahlen vorwiese, würde ich ich das eher nicht auf einem Wahlplakat inserieren.

Auch nicht besser: die begrenzte Weltoffenheit. „Lass mal ne Mauer um das Wort ziehen, weil… Berlin und so.“

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Noch schöner wird es nur, wenn man weiß, dass diese Plakate im migrationshintergründigen Gesundbrunnen überall hängen, im benachbarten Prenzlauer Berg aber nicht. „Weil… sollen die Türken erstmal weltoffen werden.“ Dafür kann guten Gewissens der Horst-Seehofer-Integrationspreis in Gold verliehen werden.

Und zum Dritten:

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Wer von Euch möchte der SPD mitteilen, was mit den bezahlbaren Mieten in den vergangenen Jahren passiert ist, und sich bei der Gelegenheit erkundigen, welche Partei eigentlich zuletzt regiert hat, während die offenbar benötigten städtischen Wohnungen nicht gebaut wurden?

Auch die Grünen enttäuschen nicht.

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Ich habe noch einmal nachgeschlagen: Einer Henne in Freilandhaltung stehen vier Quadratmeter Freifläche zu. Aber sie ist immer noch eingesperrt und muss regelmäßig eine größere Menge Eier abliefern, möchte sie nicht geschlachtet werden.

Entweder ist das ein sehr verschlüsselter Hinweis, dass das mit Orwell, der NSA und den Illuminaten alles noch viel schlimmer ist, als gedacht. Oder es ist einfach ein sehr schlechter Claim.

Ganz andere Probleme haben derweil die Linken.

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Es ist mir sehr unangenehm, zu fragen. Aber ist der Kandidat verstorben?

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Und Oma Anni auch?!

Das alles ist aber noch verträglich im Vergleich zu diesen den meisten vermutlich rein gar nichts sagenden Gesichtern.

Plakate

Ich weiß, diese Nachricht wird Sie überraschen: Aber die wollen gar nicht alle Berlins Bürgermeister werden. Denn die Stadt wählt am 18. September nicht nur ihren Next Wowi Müller (fragen Sie nicht), sondern auch Bezirksparlamente, Bezirksbürgermeister und Direktkandidaten fürs Abgeordnetenhaus. Und glauben Sie nicht, diese Erklärung wäre überflüssig.

Seit gestern taucht in meiner Facebook-Timelime immer wieder dieser Artikel vom RBB auf, der erklärt, was diese Berliner Bezirkspolitik eigentlich ist und macht. Die verzweifelten Teiler sind alle in eben dieser aktiv und bestätigen, was ich in meinen Jahren als Redakteurin der Prenzlauer Berg Nachrichten immer wieder erlebte: Die Bezirkseben nimmt niemand wahr, solange nicht gerade vor der Tür ein Baum gefällt wird und die angesprochene Senatsverwaltung die Zuständigkeit von sich weist.

Aber das bedeutet natürlich nicht, dass man auf diesen Plakaten mal vermerken müsste, für welchen der diversen ausgeschriebenen Posten sich die werten Herrschaften denn nun bewerben. Schöner kann man dem Wähler gar nicht sagen, dass diese Angelegenheit eh ein wenig zu hoch für sein kleines Spatzenhirn sei und er sich um so was keine Gedanken machen müsse. „,Alles auf Grün‘. Um den Rest kümmern wir uns dann schon.“

Wer fehlt noch in der Einzelkritik? Die Piraten! Well:

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An dieser Stelle muss ich bekennen, dass ich eigentlich ein bisschen Fan bin der Pankower Piraten, weil sie als einzige Oppositionspartei im Pankower Bezirksparlament tatsächlich Opposition machen und penetrant nachfragen und gegen all das „Das haben wir schon immer/noch nie so gemacht“ anrennen, das diese Institutionen so lähmt. Und sich nicht davon abhalten lassen, wenn sie auch nach fünf Jahren immer noch von den anderen Parteien dafür ausgelacht werden (wortwörtlich gesprochen. Die lachen die Piraten wirklich aus, wenn sie wieder ne Nachfrage haben oder sich einer von ihnen als sinnlos empfundenen Bürokratie verweigern). Die sind ein Pain in the ass, und das tut der Demokratie im Bezirk ganz gut – völlig unabhängig von Inhalten.

Weil ich all das weiß, weiß ich aber auch, dass die abgebildete Telefonnummer nicht etwa zu einem extra zu diesem Zweck angeschafften Prepaid-Handy gehört. Das ist die zumindest bis vor kurzem private Nummer von Herrn Schrecker, auf der ihn auch seine Mutter anruft, und dass er die im Sinne der absoluten Transparenz auf Plakate druckt, ist irgendwie toll, aber auch sehr, sehr verstörend.

Womit wir zum großen Fazit kommen können (AfD-Plakate habe ich bislang keine gesehen; zur FDP fällt auch mir nichts mehr ein. „Zeit für das nächste Berlin“ – was soll das sein? Berlin, Virginia?). Das da lautet: Die einzige Partei, deren Plakatmotiv sich gleich erschließt und alle benötigten Informationen liefert, ist die CDU.

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Fotos: jw

  1. 4. August 2016

    Leider ohne Foto, aber der Lichtenberger Slogan der amtierenden Bezirksbürgermeisterin ist: „Lichtenberg ist kein Plüschsofa.“ Hm, was möchte Sie uns damit sagen?

    • 4. August 2016

      @Susanne

      @Susanne
      Großartig. Was ist Lichtenberg denn dann? Ein alter Bürostuhl: Etwas unbequem und durchgesessen, aber doch funktionstüchtig? Diesen Slogan haben sie doch ausgewürfelt.

  2. 4. August 2016

    Im Matheunterricht der Schule, die ich besuchte, wurde das Ergebnis immer größer, wenn sich das Zusammenzurechnende vermehrte. Einzige Ausnahme waren negative Werte…

    Falsch!

    Wenn das „Zusammenzurechnende“ per Multiplikation geschieht und dazu noch kleiner 1 aber größer 0 ist, wird das Ergebnis auch kleiner.

    Bsp.: 0,9*0,9*0,9*0,9*0,9*0,9*0,9*0,9*0,9*0,9=0.34867844010000015

    Rechnet man per Multiplikation negative Zahlen zusammen, hängt das Ergebnis sogar von der Anzahl der negativen Vorzeichen ab.

    Bsp.: -7353*-7353=54066609 aber -7353*-7353*-7353=-397551775977

    Mathematik ist die Kunst des Denkens und ist eine Sprache. Schulrechnen ist nur ein Werkzeug unter unendlich vielen.

  3. 20. September 2016

    Hmm, ich hatte nach dem Lesen und vor der Wahl ja gehofft, dass die Pankower Piraten mehr von Ihrem Bisschen-Fan-Bekenntnis profitieren würden. Mich hat’s jedenfalls überzeugt.

    Danke für all die hyper-lokale Infra-Berichterstattung jedenfalls!