Juliane Schader

Kontrollzettel im Probeabo

Ich glaube, ich muss mich entschuldigen. Dringend. Bei meinem Zeitungsausträger. Obwohl es wirklich nicht meine Absicht war, dass er gerade seiner Tätigkeit in einem Überwachungsstaat nachgehen muss.

Alles begann damit, dass ich vor eineinhalb Wochen keine Zeitung bekam. Oder genauer: Keine der beiden Zeitungen, die ich zu abonnieren für altertümlich, aber durchaus angebracht halte. Schließlich ist es die effektivste sich mir bietende Möglichkeit, meinen eigenen Arbeitsplatz zu sichern und gleichzeitig meinen Anteil zur Abholzung des Regenwaldes beizutragen.

Ich hatte also einen Tag lang keine Zeitung, was zu verschmerzen war; habe ich halt mal vor dem Computer gefrühstückt. Als am nächsten Morgen aber wieder eine der beiden Zeitungen fehlte, habe ich mich doch an den Aboservice gewandt. Der sofortige Hilfe versprach. Mit dem Ergebnis, dass am nächsten Tag die Zeitung wieder fehlte. Sodass ich wieder anrief. Woraufhin sie wieder fehlte… to be continued.

Schon nach vier Tagen hatte ich ein persönliches Verhältnis zu der Frau des Kundenservices, wie es sonst nur Menschen vergönnt ist, die gerade zu Arcor gewechselt sind. Oder zu Alice. Oder zur Telekom. Oder die mal versucht haben, im Laufe einer Woche einen Verantwortlichen im Bezirksamt Pankow ans Telefon zu bekommen („Ja, ich bin es noch mal, ist der Herr X. jetzt… ach so…. nee, eine E-Mail habe ich ihm auch schon geschrieben. Vor drei Tagen…“).

Wie dem auch sei, am vierten Tag hatte die Frau Mitleid und versprach, nicht länger nur Fehlermeldungen am Computer auszufüllen, sondern persönlich bei der zuständigen Zustellagentur nachzuforschen. Mit durchschlagendem Erfolg, denn  am nächsten Morgen fand ich nicht nur zwei Zeitungen, sondern auch diesen Zettel im Briefkasten vor:

Man hatte also den Zeitungsausträger kontrolliert, die Zeitung war da, und ich war zufrieden. Und dann überrascht, als nachmittags ein Herr der Zustellagentur anrief und sich erkundigte, ob heute denn alles geklappt habe, man habe dem Zusteller auch extra noch mal auf die Finger geschaut. Was mir schon ein bisschen Angst machte.

Das ganze Ausmaß der Überwachung, die ich losgetreten hatte, zeigte sich mir aber erst in den kommenden Tagen:

Ich hole also jetzt morgens nicht länger nur zwei Zeitungen, sondern immer auch einen Kontrollzettel aus dem Briefkasten, der mir bescheinigt, dass zwischen 5 und 5.30 Uhr ein vermutlich freundlicher Mitarbeiter der Zustellagentur ZIP nachgeschaut hat, dass das von mir Abonnierte auch geliefert wurde. Wie auch immer das funktionieren soll, bei verschlossenem Postkasten.

Jetzt fühle ich mich schlecht. Schließlich war ich es, die sich noch zu Braunschweiger Zeiten immer beschwerte, wenn unsere Nachbarin mal wieder überprüft hatte, ob wir unseren Müll richtig trennten. Und sich nicht schämte, das zuzugeben, sondern vielmehr mit Telefonanrufen die Ergebnisse ihrer Stichprobe auch noch freudig kundtat. Mit dem immer gleichen Ergebnis: Wir sollten aufhören, große Kartons in die Papiertonne zu werfen. Dabei war sie doch diejenigen mit dem Bestellproblem bei QVC.

Und ich bin jetzt sogar noch schlimmer, denn ich kontrolliere nicht selbst, ich lasse kontrollieren. Von einer Agentur, die regelmäßig per Anzeige Leute sucht, die montags bis samstags zwischen 3 und 6 Uhr Zeitungen austragen, auf 400-Euro-Basis. Der Mensch, der hinterherfährt und den Boten kontrolliert, verdient vermutlich mehr. Dabei ist Zeitungsaustragen doch so schon ein schrecklicher Job.

Vielleicht wird es doch bald Zeit für ein iPad.

  1. 10. Mai 2010

    Schöne Geschichte… Interessanter Gedanke…. und der Nachbar kann jetzt nicht mehr Gratislesen (oder hat schon ein iPad)

  2. 10. Mai 2010

    Vermutlich sind Zeitungsausträger und Kontrolleur ein und dieselbe Person. Sollte der KOntrollzetell einmal fehlen, würde ich sofrt anrufen und bemängeln, dass die Zeitung zwar da war, aber eine Kontrolle nicht stattgefunden habe. Dann ganz unerbittlich auf dem Recht einer täglich kontrollierten Zustellung beharren.

  3. 10. Mai 2010

    Also, was der Helge da mit der Zeitung macht, finde ich schon sehr großartig und hochprofessionell. Dafür braucht man doch mindestens 3 Jahre Ausbildung (so wie bei Medschen-gestalder) um die Kompetenz zu erlangen. so ein nasser Klumpen!

    seit letzter Woche (!) bekommen wir die Braunschweiger Zeitung nicht (!) mehr. Find ich aber in Ordnung so. Und dein Kontoauszug wahrscheinlich auch.