Juliane Schader

Grenzerfahrungen mit dem DJV

Der DJV Berlin hat mir mal wieder geschrieben. Und nein, diesmal geht es nicht darum, dass sich der Ostdeutsche Journalistentag schon wieder jährt und man es beim DJV für eine gute Idee hält, dort eine Diskussion über Sinn und Unsinn des Journalismus in Form einer Sat1-Show aus den 90ern aufzuziehen. (Nein, nicht „Kämpf um Deine Frau“).

Sondern um die fantastischen „32 % Ersparnis für jede gefahrene Minute CITROËN Multicity Carsharing“, die mir als „exklusive Vorzugskonditionen“ angeboten werden. Oder, in anderen Worten: „Das ist die neue Freiheit am Puls der City – zu besonders günstigen Preisen, speziell für Sie!“ Die Mail, die mir das Ganze offeriert, kam gerade rein. Ich soll nur schnell den exklusiven Gutscheincode einlösen und schon geht es los.

Lieber DJV. Isch abe gar kein Auto. Und auch kein Interesse an einem. Dafür aber eine verquere Vorstellung davon, was unabhängiger Journalismus ist und dass er sich nicht ganz so gut damit verträgt, dass ich für 32 Prozent weniger Car Sharen kann als andere Menschen mit langweiligen Berufen ohne Presseausweis. Wie Ärzte. Anwälte. Lehrer. Baggerfahrer. Burgerbrater. Berater. Oder sonstige Spaßberufe.

Zwar habe ich natürlich vollstes Verständnis dafür, dass meine, sprechen wir es doch aus, Gewerkschaft sich dafür engagiert, dass ich am Ende des Tages nur annähernd so viel Geld im Portemonnaie habe wie die Angehörigen der oben genannten Berufsgruppen. Aber wenn sich das auch machen ließe, ohne dass ich von Buffet zu Buffet reisen und Journalistenrabattmarken sammeln muss, wäre ich dankbar.

Bevor Du mir also in weiteren Mails mit dem Betreff „Vorzugskonditionen für Mitglieder“ Presserabatte bei Audi, BMW, dem Anbieter von Schwimmbekleidung, der städtischen Müllabfuhr oder einem Vertrieb für Backbedarf anträgst, wäre ich an einer Interessenvertretung bei den Unternehmen interessiert, die auch was mit Journalismus zu tun haben. Du weißt schon, diese komischen, äh, Verlage.

Das war es dann auch fast schon wieder. Nur eins noch: Wenn Du der PR-Abteilung von Citroen ausrichten könntest, dass „Reporter ohne Grenzen“ gar kein Clownsverein ist, dessen Namen man lustig zu „Für Reporter mit Co2-Grenzen“ umbauen kann, um den ganzen Quatsch auch noch zu bewerben? Das wäre echt super.

  1. 18. September 2013

    Solche Angebote haben freilich nichts mit dem Presseausweis zu tun. Die Berufsorganisationen von Ärzte, Anwälte, Lehrern, Baggerfahrer und Berater bieten ähnliche Rabatte. Manchmal gehen sie sogar an die Organisation der Leute, die im Supermarkt eine bestimmte Zeitung kaufen.

  2. 18. September 2013

    Einerseits haben Sie mit Ihrer Empörung natürlich recht: Unabhängiger Journalismus sieht anders aus, und der Claim „Reporter mit CO2-Grenzen“ geht gar nicht. Andererseits ist der DJV in dieser Hinsicht janusköpfig: einerseits Gewerkschaft, andererseits Berufsständische Organisation, die (wie Torsten oben schreibt) für ihre Mitglieder Vergünstigungen und Rabatte rauszuschlagen versucht – was tatsächlich eine ihrer Aufgaben ist.

    Man könnte allerdings fragen: Braucht man tatsächlich solch eine Organisation im Berufsfeld Journalismus? Einem Berufsfeld, in dem es um Inhalte geht, auch um eine Berufsethik, die zumindest bei Baggerfahrern und Beratern (bei Ärzten, Anwälten, Lehrern bin ich da auch skeptisch) nicht so im Vordergrund steht?

  3. 18. September 2013

    „Ärzte. Anwälte. Lehrer. Baggerfahrer“ bekommen über ihre Ständevertretungen, bzw. Gewerkschaften ebenfalls Rabatte und Vergünstigungen. Bei den Beratern bin ich mir nicht sicher – wenn sie (wie DJV-Mitglieder) gewerkschaftlich organisiert sind, vermutlich auch.

  4. 18. September 2013

    Okay, ich gebe es zu: Ich hatte keine Ahnung, welche Vergünstigungen mal als Baggerfahrer so genießt. Aufgrund des bei Journalisten bestehenden Berufsethos (eine Sache, der ich mich lustiger Weise tatsächlich verpflichtet fühle) finde ich die oben beschriebene Angelegenheit aber dennoch bedenklich.

  5. 18. September 2013

    Ich bin Baggerfahrer – zumindest nebenberuflich, und organisiert in der IG Metall. Vergünstigungen gibt es für uns keine, die über eine um 50 Cent verbilligte Bockwurst beim örtlichen Supermarkt hinausginge.

  6. 18. September 2013

    nur der vollständigkeit halber: Wo taucht denn der Slogan mit „Reporter ohne Co2 Grenzen“ auf?

    • 18. September 2013

      @JMK

      @JMK
      Der Mail des DJV war ein PDF angehängt, da war das der Slogan.

  7. 18. September 2013

    Die Vergünstigungen sind ja auch nicht gerade unproblematisch, und auch bei Anwälten und Lehrern kann das zu Problemen führen.

    Ziel sollte es sein das Alle auch ohne Vergünstigungen gut leben können und nur ihrer Arbeit ohne geteilte Loyalitäten und zweifelhaften Abhängighkeiten nachkommen können.

  8. 18. September 2013

    „Isch abe gar kein Auto“. Sehr lustig. Carsharing *ist* für Leute ohne Auto.

    • 18. September 2013

      @Martin Olk

      @Martin Olk
      …weshalb auf den Satz ja auch noch einer folgt. Aber diese Gelegenheit für einen schlechten Witz konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.

  9. 18. September 2013

    […] Juliane Wiedemeier: Grenzerfahrungen mit dem DJV. Presseausweis anyone? Journalism anywhere? […]

  10. 18. September 2013

  11. 18. September 2013

    Ich bin zwar kein Journalist, habe aber dennoch den Presserabatt-Newsletter von journalismus. com abonniert. Seitdem ist mir manches klar geworden…

  12. 18. September 2013

    Interessantes Thema – zwar schon gut 1,5 Jahre alt, aber passend dazu (geht auch auf Ärzte-/Lehrerrabatte ein) dieser Artikel:
    http://blog.wiwo.de/ungedruckt/2012/02/20/die-anfalligkeiten-von-journalisten-fur-kleine-geschenke/

  13. 18. September 2013

    @Sebastian:
    Einfach mal ein Onlineorakel deiner Wahl nach „IG Metall Sonderkonditionen“ befragen. Die ein oder andere wirst du sicherlich finden.