Juliane Schader

Mein Haus, mein Gartenhaus, mein Kaufhaus

Ich habe Goethes linken Fausthandschuh gesehen. Und nein, das ist leider keine dieser humoresk daherkommenden Formulierungen, bei denen sich am Schluss herausstellt, dass Goethe in diesem Fall ein dreibeiniges Kaninchen ist und der echte Goethe seidene Fingerhandschuhe bevorzugte. Es ist genau so gemeint, wie es da steht: Goethes linker Fausthandschuh ist zu besichtigen. Neben seinen Hosenträgern, seinem Reisemantel und diversen Federkielen, die vielleicht sogar Zeitgenossen Goethes tatsächlich mal zu nutzen beabsichtigt hatten. Das Weimarer Goethe-Haus hat all dies ausgestellt. Wäre in den 10,50 Euro Eintritt eine Fotoerlaubnis inkludiert gewesen, ich hätte selbstredend ein Beweisfoto beigefügt.

Womit ich sagen will: Ich war in Weimar und habe zu viel Geld in den Besuch eines Museums gesteckt, das seinem Berichtsgegenstand so verfallen ist, dass es sogar seine – leider nur zum Teil erhaltene – Wintermode ausstellt und genau protokolliert hat, wann der alte Geheimrat welche Wand seines Hauses von Blau zu Grün streichen ließ. Was ein wenig schade ist, angesichts der Tatsache, dass ich mich durchaus für Goethes Leben und Werk interessiert hätte, wäre denn auch ein wenig darüber zu erfahren gewesen.

Goethe

Folgerichtig präsentiert sich die Konsumgüter-Industrie in Weimar nicht in einem schlichten Kaufhof, sondern im Goethe-Kaufhaus. Das einem gleich noch vermittelt, dass Goethe seine Zahnseide gern bei dm erstand („Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“).

Auch Schiller wird entsprechend gewürdigt mit Wohnhaus samt Museumsshop samt Apfelkonfitüre (Ganz recht, wegen Wilhelm Tell, und auch ich bin froh, dass dieser und nicht Die Räuber hier inspirierend Pate standen) und Kaufhaus. Nur sein Gartenhaus musste Weimar leider an Jena abtreten.

Womit eine schöne Überleitung geschaffen wäre zu anderen Städten, die ich auch besucht habe, seitdem ich auf meiner Reise eine kleine Schreibpause eingelegt habe.

Amberg zum Beispiel, was hier nicht unerwähnt bleiben darf aufgrund der Tragik seiner größten Sehenswürdigkeit, der Amberger Stadtbrille. Anders, als ich es gern gehabt hätte, ist diese leider kein Produkt des Größenwahns der örtlichen Optiker-Innung, sondern lediglich der Phantasie der Einwohner zu verdanken, die die Brücke und ihre Spiegelung als Brille wahrnehmen.

Leider wurde vor ein paar Jahren entdeckt, dass die Brücke nicht zwei, sondern drei Bögen hat, und jemand ohne Ahnung von Tourismusmarketing hat dafür gesorgt, dass auch dieser Bogen freigelegt wurde. Um den Schein halbwegs zu wahren, wurde wohl die kleine Mauer links im Bild errichtet.

Amberg

Oder in Nürnberg, wo im Zentrum auf der Bühne des Festes der ökologischen Landwirtschaft eine badische Flamencogruppe ihr Bestes gab, während am Stadtrand auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ein Kdf-Wagen- VW-Oldtimer-Treffen stattfand.

Oder in Schwerin, das man dank des pompösen Schlosses fast mit Euro-Disney verwechseln könnte, wenn Disneyland nicht erst um 23 Uhr schlösse und Schwerin schon um halb sieben.

Mit dem erhebenden Gefühl beim Anblick von Goethes linkem Fausthandschuh kann das alles aber leider nicht mithalten. Mein Leben wird danach nicht mehr sein, wie es war.