Juliane Schader

Schwaben. Keine Pointe

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Zu den Dingen, die man über Weihnachten definitiv tun sollte, gehören ja neben der Vernichtung einer Zimtstern-Armee und einem zünftigen Familienstreit das Lesen eines guten Buches. Meine Wahl fiel in diesem Jahr unter anderem auf das wundervolle „Durchgangszimmer Prenzlauer Berg“, in welchem die beiden Autorinnen vorwendliche Künstlerbiographien versammeln. Die absolute Mehrheit der Texte beginnt mit dem Satz „Nach Berlin kam ich, als… .“

Früher waren es Sachsen, heute sind es Schwaben, die in den Prenzlauer Berg und von dort in die weite Welt ziehen. Doch dies nur als Randbemerkung.

Denn eigentlich ist es nicht dieses doch irgendwie langweilig gewordene Schwaben-Bashing, das mich nach zwei Jahren Mitarbeit bei einer Zeitung namens „Prenzlauer Berg Nachrichten“ nur noch kurz die Augenbraue heben lässt (ja, ich kann das, aber nur mit rechts). Sondern es ist die Art und Weise, wie gerade ein Politiker wie Herr Thierse, der einst seinen Bundestagswahlkreis hier hatte und heute das Weihnachtsloch füllt, über den Prozess der Gentrifizierung redet. Denn ja, dieser Bezirk hat sich verändert, und das nicht nur zum Guten. Aber es war auch die Politik, die das nicht nur toleriert, sondern auch so gewollt hat. Indem sie viele Millionen Euro Förderung in die Sanierungsgebiete wie den Kollwitzplatz oder den Helmholtzplatz gesteckt und so zu dessen Aufwertung beigetragen hat, hat sie der Veränderung den Weg bereitet. Als sie dann merkte, dass so einen innenstadtnahes Gründerzeitquartier vielleicht auch von alleine ganz reizvoll als Wohngebiet sein könnte, waren die Mieten schon auf 13 Euro pro Quadratmeter geklettert. Seit, kein Witz, letztem Jahr bemüht man sich nun erstmals wieder ernsthaft, den Prozess der Veränderung politisch in den Griff zu bekommen. Bis dahin verließ man sich, wieder kein Witz, darauf, dass man die Mieten künstlich unten halten könnte, indem man den Einbau von freihängenden Klos und Handtuchhalterheizungen verböte. Was überraschender Weise nicht so gut funktioniert hat.

Ja, der Prenzlauer Berg hat ein Problem, weil er mit seinen stetig steigenden Mieten der sozialen Mischung keine Chance lässt. Und ja, es nervt auch, dass manche der Menschen, die sich für zwölf Euro kalt sogar auf dem Dach eines Lidls an der Bornholmer Straße einmieten, glauben, gleich den ganzen Bezirk mitgekauft zu haben und sich entsprechend verhalten. Aber hier leben genauso viele Menschen, die zugezogen sind und sich trotzdem Sorgen um die Entwicklung machen. Und auf der anderen Seite sind es genauso Alt-Berliner, die sich gerne auch mal in ihrer Funktion als Vizepräsident des Deutschen Bundestages darüber beschweren, dass der Kollwitzmarkt vor ihrer Haustür zu laut ist. Ja, genau, da war doch was.

Ich glaube, wir haben ein Problem. Und ich glaube, die Schwaben sind nicht Schuld daran. Und die Frage, ob Schrippen jetzt Schrippen, Wecken oder doch vielleicht Croissants heißen, kann der freundliche Herr mit dem Bart ruhig weiterhin der FDP überlassen.