Juliane Schader

Die Herrschaft des Schirms

Einst arbeitete ich bei einer Zeitung unter einem Chefredakteur, der es sehr genau nahm mit der deutschen Sprache. Wenn etwa jemand einen englischen Ausdruck wie Laptop oder Airbag zu gebrauchen gedachte, so wurde er gleich ermahnt, Klapprechner und Prallkissen seien doch wohl die deutlich verständlicheren Alternativen, und auch mit Sprachbildern, die er als nicht ganz passend ansah, hatte er so seine Probleme. Unvergessen die Zeit, in der alle Welt von einem Konjunkturpaket sprach, nur mein damaliger Arbeitgeber von Konjunkturhilfe – schließlich gehe es dabei nicht um ein Paket, das man verschnüren und mit einer Adresse versehen könne, und so sei der Begriff schlichtweg falsch, lautete die Argumentation. Bis heute treibt mich die Vermutung um, dass die Leser damit in den Glauben getrieben wurden, neben dem -paket, von dem in der Tagesschau immer die Rede war, gebe es noch eine regionalspezifische Konjunkturhilfe.

Jetzt frage ich mich, wie sehr mein damaliger Chef eigentlich leidet, seitdem dieser Eurorettungsschirm auf der Bildfläche aufgetaucht ist. Schließlich kann man diesen zwar sprachlich aufspannen, geht dabei jedoch dennoch das Risiko ein, letztendlich im Regen zu stehen.

So ähnlich könnte man zumindest die bildliche Darstellung deuten, die in der vergangenen Woche durch RTL aktuell verbreitet wurde:

Die Tatsache, dass der Euro trotz Schutz so starke Spuren von Verwitterung aufzeigt, lässt doch tiefe Enblicke zu in die Qualität dieses Schirms. Ganz abgesehen davon, dass schon meine Oma wusste, dass ein Pflaster nur seine heilende Wirkung entfalten kann, wenn Tiere darauf abgebildet sind und das Aufkleben an das Verteilen von Schokolade gekoppelt wurde. Wie auch das nächste Bild beweist:

„Durch schwere Unwetter wurde in der vergangenen Nacht der Eurorettungsschirm stark beschädigt. Teilweise orkanartige Sturmböen rissen handtellergroße Stücke aus der Einheit Europas und brachten diese sogar in gefährliche Schieflage. Experten sprechen bereits von einem Rechtsruck, den die Gemeinschaft erlitten habe. Der Euro überstand die Ereignisse zum Glück unbeschadet.“

Nun ist es allerdings so, das soll der Fairness halber nicht unerwähnt bleiben, dass es nicht einmal unbedingt eines Gleichnisses mit Schirm bedarf, um den Euro dank Photoshop absonderliche Dinge erleben zu lassen. Ganz recht, liebe Kollegen von den Tagesthemen, ich spreche von Ihnen:

„Der Mond ist aufgegangen, der Euro unter, die Capri-Fischer bangen um die Kürzung von Subventionen und der steigende Meeresspiegel sorgt dafür, dass die Akropolis nun endlich direkt am Meer liegt. Das macht für Sie alles keinen Sinn? Tja, für mich auch nicht, daher haben wir auch zentral das Fragezeichen platziert. Wobei, für die neue Lage des griechischen Wahrzeichens haben wir sogar noch eine bessere Begründung als den deprimierenden Klimawandel gefunden – Philipp, der Baumeister war es:

Mit einem überdimensionalen Enterhaken hat er die Akropolis erst aus den Angeln heben und dann direkt in ein Steuer Inselparadies hieven lassen. Durch die neue Meerlage und den entstandenen Schaden könne man leichter rechtfertigen, wenn man das Ding in Kürze spontan untergehen ließe, meinte Rösler. Kritiker kritisierten, der Minister habe wohl den Kopf in den Wolken und müsste dringend mal sein Wolkenkuckucksheim verlassen. Rösler wies das entschieden als windig wie fundamentlos zurück.“

Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist man doch dankbar, dass sich jemand die Sache mit dem Rettungsschirm ausgedacht und der Vorstellungskraft damit Grenzen gesetzt hat.

Womit es nur noch zu klären gilt, was eigentlich dieses Land mit der lustigen Flagge mit dem Euro zu tun hat? Und warum es erst die Hand aufhalten darf…

…und dann anschreiben lassen?

So ein schön geschnürtes Informationspaket könnte da sicher weiterhelfen. Oder natürlich der Blick in den Klapprechner.

  1. 26. Oktober 2011

    Flaggen-Jeopardy:
    Der anglophil langsame Arbeitkreis (Abk.) und ein frühes Stadium der selbstständigen Fortentwicklung eines Ovipars.

  2. 27. Oktober 2011

    Dabei sind die Schirmbilder ja schon von vornherein das Produkt eines Denkfehlers. Schließlich handelt es sich bei einem Rettungsschirm ja wohl kaum um einen Regenschirm, der etwa die Staaten etwa vor einem plötzlichen Goldregen schützt, sondern doch wohl vielmehr um einen Fallschirm, der den freien Fall der Märkte abbremsen soll.

    Als nächstes steht übrigens der Euro-Schutzwall vor der Tür. Man darf sich also wohl schon auf grüne Deiche mit Schafen und Leuchttürmen freuen.