Juliane Schader

Tristesse Royal oder Der Hohn mit Frau Höhn

Du weißt, dass Du wieder zwei Stunden Deiner Lebenszeit an etwas Sinnloses verloren hast, wenn Du die Aufzeichnung einer selbsternannten Late-Night-Show besuchst und der einzige Mehrwert in der Erkenntnis besteht, dass das Fernsehen 18 Uhr als späte Nacht definiert und Du gerne das gleiche Shampoo wie Hajo Schumacher benutzen würdest. Denn er hat die Haare schön, womit alles Gute über die Folge „Stuckrad Late Night“ gesagt ist, die gestern Abend im Ballhaus Rixdorf aufgezeichnet wurde und heute irgendwann, vermutlich late at night, auf ZDF Neo zu sehen ist.

Es ist nicht so, als ob ich nicht positiv an die Sache herangegangen wäre. Schließlich genießt Benjamin von Stuckrad-Barre bei mir einen Verehrungs-Vorschuss, seitdem er Soloalbum schrieb und darin schöne Sätze über Frauen namens Beate, die permanent Jugendgruppen in den Harz begleiten. Einfach, weil einem als Beate gar nichts anderes übrig bleibt.

Heute sitzt Stuckrad-Barre in einem schwarzen Anzug zwischen der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn und einem Huhn, besprüht sich mit der Happy Shower Vogeldusche und erfreut sich so sehr an seinem vorbereiteten Versprecher „Frau Huhn, äh, Höhn“, dass er ihn gleich zwei Mal wiederholt. Was ihn auf das gleiche Witze-Niveau befördert wie den Einheizer, der vor Beginn der Show über die Bühnenprogramme von Michael Mittermeier aus der Mitte der 90er improvisierte. Was ich wiederum nur bemerkte, weil ein Junge aus meiner Klasse einst ähnliches praktizierte und es damit tatsächlich auf Klassenreisen kurzfristig zu den coolen Kids in den hinteren Teil des Busses schaffte. Bis dank endloser Wiederholungen jeder aus der Klasse das Gleiche beherrschte und Ulf wieder in der zweiten Reihe gleich hinter den Lehrern sitzen musste.

Kinder sind grausam. Sie haben die Gruppendynamik erfunden, die derzeit dem RTL-Dschungelcamp diese fantastischen Quoten beschert. Und Stuckrad Late Night ist leider einfach nur sehr langweilig.

Ich weiß auch gar nicht genau, warum man Harald Schmidt einst studenlang beim Anpassen einer Brille aus Schildpatt zusehen konnte und sich dabei hervorragend amüsierte. Und einem die Augen zufallen, wenn Bärbel Höhn und Benjamin von Stuckrad-Barre ein Huhn füttern, statt die Gelegenheit zu nutzen, mal ein paar ernsthafte Worte über die Zukunft unserer Nahrungsmittelkette zu wechseln.

Das letzte Mal vergleichbar gut unterhalten gefühlt habe ich mich wohl während meines Kommuniongottesdiestes, als irgendeine pädagogisch wertvolle Mutter beschlossen hatte, jedes Kind müsse etwas zur Veranstaltung beitragen. Obwohl im ländlichen Westfalen sehr viele Kinder katholisch sind. Selten wurden so viele Fürbitten vorgetragen wie an jenem Sonntag im April, und selten habe ich mir so sehr eine Fernbedienung gewünscht wie gestern Abend. Stucki, es tut mir leid, und ja, ich darf das sagen, das hat mir der Einheizer erlaubt. Als er uns zu Beginn der Show zwang, „Happy Birthday, lieber Stucki“ zu singen, weil dieser am folgenden Tag Geburtstag hatte und die Aufzeichnung gestern für heute war.

Vielleicht war es auch einfach nur keine gute Idee, die Show nach einem schleppenden Stand-up-Teil, der darauf beruhte, so zu tun, als habe Ken zu Guttenberg in seiner Rede über das Dschungelcamp eigentlich über die Gorch Fock gesprochen, mit einem Karten-Spiel fortzusetzen. Dessen einziges Ziel es war, einen Zuschauer zu blamieren, der weder die deutschen Ministerpräsidenten kannte, noch wusste, wo Bremen liegt. Vielleicht sollten großartige Schreiber nicht so viel sprechen, zumindest nicht im Fernsehen. Vielleicht sollte man bei Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen endlich aufhören, sich darüber lustig zu machen, dass man aus öffentlich-rechtlichen Töpfen sein Gehalt bezieht.

Und vielleicht wäre alles nur halb so schlimm, wenn man als Sidekick statt der zwei Muppet-Opas mit wohl frisierten Haaren bzw., im Falle Schönbohm, Augenbrauen Christian Ulmen eingesetzt hätte. Der für die verlässlichsten Lacher sorgte, als er sich nach dem Ende der Aufzeichnung aus dem Off meldete und stoisch wiederholte, es werde nichts geschnitten, und Stucki sei fantastisch gewesen.

Er ist der Produzent, er muss so etwas sagen. Ich blogge hier nur. Und will mein Gebührengeld zurück. Und Witze über Beates.

  1. 27. Januar 2011

    Wer’s verpassen will: Um 22.30 Uhr geht’s los – also nicht besonders late night.

  2. 27. Januar 2011

    Komisch: Ich heiße Benjamin und habe Herrn Bugradstarre deswegen schon immer unreflektiert und ohne schlechtes Gewissen gehasst. btw: an Beate-Witzen wäre ich auch interessiert.

  3. 29. Januar 2011

    Spricht mir aus der Seele. Die Sendung ist wirklich langweilig. Und Schönbohm will ich auch nicht von meinen Gebühren einen „Leinwand“auftritt finanzieren.