Juliane Schader

Nazifrei und Spaß dabei

Am Wochenende ist hier nichts passiert, am Wochenende musste ich gegen Nazis demonstrieren. Die hatten sich nämlich überlegt, dass meine Straße breit, gerade und damit sichtachsig genug wäre, um mal wieder einen kleinen Aufmarsch zu proben, und da ich das für keine so gute Idee hielt, habe ich mich auf die Straße gestellt und den Weg versperrt.

Gut. Ich war dabei nicht alleine. Es waren auch ziemlich viele andere Menschen unterwegs, was mich fast ein wenig gewundert hat, denn der klassische Prenzlauer Berger fährt an so einem Samstag ja eigentlich lieber mit seinem SUV in den Biomarkt statt den ganzen Tag auf der Straße zu stehen und auf Nazis zu warten. Vermutlich hatte ihn ein schlauer Mensch unter Vortäuschung falscher Tatsachen, etwa einer Spielplatzeröffnung, nach draußen gelockt. Oder mit der Aussicht auf Brunch, denn damit kann man die Massen hier definitiv mobilisieren.

So standen wir also, warteten auf die Nazis und erfreuten uns dabei an dem Begleitprogramm, dass der Schwarze Block so nett war vorzubereiten. Aus seinem großen Repertoire standen an diesem Nachmittag „Blockadenbau aus Dixi-Klos“, „Flaschenwerfen für Anfänger“ und der Dauerbrenner „Burn, Altkleidercontainer, burn“ auf dem Programm. Für Musik sorgte die bilinguale Rapp-AG des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums; das leibliche Wohl war Sache der Greifbar, die gleich nach Eintreffen der ersten Demonstranten ihre Verrammelung lockerte und spontan auf die Bedürfnisse der Anwesenden einzugehen wusste. So warb man auf dem Zettel an der Tür zunächst für „Gin Tonic 5,40 Euro“, dann für „WC“, bald darauf „WC 50 Cent“ und letztendlich für „Bier. WC 50 Cent“.

Eher unangenehm fielen dagegen die Wortbeiträge der Veranstalter auf, die glaubten, eine Demonstration verliefe nach dem Amazon-Prinzip: Menschen, die sich gegen Nazis engagieren, interessieren sich auch für Antikapitalismus, Anarchismus, Antifaschismus, Maoismus, Feminismus, Islamismus, Globalisierungskritikismus (und wer nun den Witz lesen möchte: Und Apfelmus – Raus!). Ich persönlich fühle mich einfach nicht so wohl, wenn ich nicht mehr ganz sicher bin, ob ich noch gegen Nazis oder schon für Trotzkismus protestiere.

Fantastisch war dagegen der Auftritt von Hans-Christian Ströbele, der sich in Berlin nicht mit Namen vorzustellen braucht. Statt dessen erkennt man seine Durchsagen an der Einleitungsformel „Ich bin grad durch den Prenzlauer Berg geradelt….“ – denn auch wenn die halbe Stadt abgesperrt ist und die Barrikaden brennen, ist Hans-Christian mit dem Radel da.

Er war es auch, der uns die frohe Botschaft brachte, dass die Nazis größtenteils gar nicht erst den Weg zu ihrer Demo gefunden hatten, sondern versehentlich am Kudamm ausgestiegen waren. Ein Problem, dass Touristen hier öfter haben und dem man eigentlich mit der Abkoppelung des Bahnhof Zoo vom ICE-Verkehr entgegenwirken wollte. So konnte die Polizei die Nazis bequem im Westen festsetzen, und diejenigen, die doch bis zu ihrem Treffpunkt an der Bornholmer Straße kamen, durften auch hier nur 800 Meter weit laufen, weil darüber hinaus die Route mit Gegendemonstranten verstopft war.

Für diese Kurzstrecke haben die Nazis allerdings über fünf Stunden gebraucht – offensichtlich sind sie nicht nur in Politik dumm, in Geographie orientierungslos, in Englisch sprachlos und in Bio unbelehrbar geblieben, sondern waren sogar im Sportunterricht völlige Nieten.