Juliane Schader

A Night at the Opera, krasse Version

Zu Beginn meines Volontariats brachte man mir bei: Versuchen Sie erst gar nicht, so zu arbeiten wie die Journalisten, die sie verehren; sie können es eh nicht. „Als Volontär hat man keinen Stil“ war der Satz, den ich mir merkte. Und für mich mit „zu haben“ ergänzte.

Das Volo ist um, ich kann machen, was ich will, und dachte mir daher, einmal die Methode zu erproben, die Benjamin von Stuckrad-Barre sich offensichtlich als Erfolgsgeheimnis patentieren ließ: Nicht nur selbst erleben, sondern dazu Leute mitnehmen und aufschreiben, was die so zum Thema zu sagen haben. Medienanwalt Christian Schertz zu einer Ausstellung mit Paparazzi-Fotos. Dieter Hildebrand zum Satire-Gipfel. Hans Magnus Enzensberger zum bayrischen Wahlkampf.

Ich wählte ein kulturelles Ereignis und beschloss einen Opernbesuch mit der neunten Klasse einer Hauptschule aus dem Sauerland. Praktisch, dass mein Lehrer-Vater gerade auf Klassenfahrt in Berlin war und „Die Fledermaus“ in der Komischen Oper auf dem Programm stand.

Bisher habe ich sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Schüler bei ihrem Berliner Kulturprogramm zu begleiten. Einst besuchte ich mit der zehnten Klassen meiner Mutter „Ein Sommernachtstraum“ in der Schaubühne, was ein großer Erfolg war, da bereits nach fünf Minuten alle beteiligten Schauspieler nackt auf der Bühne standen. Was die Mutti peinlich berührte, jedoch von mir für die einzige Möglichkeit gehalten wird, dafür zu sorgen, dass Schüler das Theater in guter Erinnerung behalten und vielleicht sogar selbstständig erneut aufsuchen.

Nun also Operette in der Oper, und man muss sagen, die Kids hatten wirklich alles aufgeboten, was Orsay in der Rubrik Abendgarderobe zu bieten hat, um sich angemessen einzuführen. Abschätzige Blicke auf den kleinen Punker, der in Karohosen und Nietengürtel ebenfalls erschienen war, inklusive.

Völlig unbeeindruckt zeigten sie sich von Gold und Prunk des Bauwerks, was jedoch auch daran liegen könnte, dass es schon vor Beginn der Vorstellung etwas viel Spannenderen zu sehen gab: die Tochter des Lehrers. Zum Glück bin ich als erfahrene China-Reisende das Begafft-Werden gewöhnt, und immerhin haben sie nicht versucht, meine Haare anzufassen.

Kaum wurde es dunkel im großen Saal, begann das Gewisper. Abgelöst von ersten Kicheranfällen, als sich herausstellte, dass diese Menschen auf der Bühne nicht nur in einer lustigen Welt aus Holzpanele leben, sondern auch unglaublich hoch singen. „Was sagt die Frau?“ war wohl der Satz des Abends.

Mit der Zeit arrangierten sich die Kids mit der ungewohnten Umgebung, legten die Köpfe aus die Brüstung und setzten den Gesichtsausdruck auf, den man als Schüler zu nutzen gewohnt ist, um Aufmerksamkeit zumindest vorzutäuschen. Wippende Füße belegten, dass es manchen wohl tatsächlich gefiel. Ist ja auch ne lustige Sache, wenn Menschen in Unterwäsche auf Sofas herumhüpfen, Liebhaber in Schränken versteckt werden und Schweineköpfe aus Plastik als Abendbrot durchgehen.

Große Irritation dann allerdings, als der Vorgang fiel. Zur Pause. „Warum klatschen die Leute nicht?“ – „Gibt es da noch ne Fortsetzung?“ – „Was hat die Frau gesagt?“ Ich glaube, es wäre für alle Beteiligten völlig in Ordnung gewesen, wenn es das wirklich gewesen wäre. Fast zwei Stunden waren immerhin schon rum. Satt dessen ging es in eine zweite Runde, die ein Teil der Gruppe dann jedoch für ein Nickerchen nutzen musste. In der Jugendherberge gibt es aber auch immer schon um halb acht Frühstück.

Am Ende des Abends hatte ich gelernt, dass es für viele der Kids vermutlich ein einmaliges Erlebnis bleiben wird. Aber ein unvergessliches. Schließlich war das der Abend, an dem alle aufmerksam in der Oper saßen und ihr Lehrer als einziger vergessen hatte, sein Handy auszuschalten.

  1. 6. Mai 2010

    Sehr gerne. Die Frage ist nur: Was genau?